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Mehlhändler-Ermordung 1868
und Gedächtnisstein-Erneuerung 2010

An der Kronach-Lichtenfelser Landkreisgrenze zwischen Oberlangenstadt-Hummenberg und Ebneth wurde ein Altgrenzstein, der zugleich als Gedenk- bzw. Gedächtnisstein fungierte, 2007 von einem vorbeifahrenden Auto zerstört und 2010 durch eine Nachbildung ersetzt. Das Foto (links) entstand bei der „öffentlichen Übergabe“ des neu aufgestellten Steins am 19. Oktober 2010 im Übergangsbereich von der Kreisstraße KC 27 in die Kreisstraße LIF 23.
Warum aber ist das ein Thema für die „Haßlacherberg-Internet-Nachrichten“? Die Antwort darauf gibt es gleich.

Zunächst sollen die Personen auf dem Foto vorgestellt werden (von links, in Klammern jeweils der Wohnort). Zu sehen sind Heinz Schäfferlein (Ebneth), der Kronacher Kreisheimatpfleger Roland Graf (Dörfles) und Kreisheimatpflege-Sachgebietsleiter Bernd Graf (Gehülz), Kronachs Landrat Oswald Marr (Schmölz) und der Lichtenfelser Kreisnaturschutzwächter Dieter Weberpals (Burgkunstadt).
Landrat Oswald Marr dankte Roland Graf, Dieter Weberpals und Heinz Schäfferlein für ihren Einsatz zur Errichtung eines „Nachfolgers“ für den zerstörten steinernen Geschichtszeugen. Die Finanzierung erfolgte aus dem Flurdenkmalpflege-Fonds der Kreisheimatpflege Kronach.


2 Korbmacher + 1 Wirt = 3 Mörder
Dem Bezug zum Haßlacherberg nähern wir uns, wenn wir einen Zeitungsartikel des Obermain-Tagblatts vom 18. September 1998 (Autorenkürzel gho) lesen. Darin heißt es über unser „steinernes Mahnmal“, dass dieser „Totenstein mit einem eingemeißelten Kreuz“ an einen Mord erinnert, „der heute vor genau 130 Jahren von drei Wilderern begangen wurde“. Zitiert wird aus der Ebnether Ortschronik, wonach „am 18. September 1868 die Korbmacher Panzer und Münch sowie der Wirt Schneider aus Breitenlohe im Ebnether Wald wildern wollten. Zugleich beabsichtigten sie, den Kronacher Viehjuden Fleischmann zu überfallen. Nicht jedoch Fleischmann, sondern der Mehlreisende Kübler aus Bamberg kam um 12 Uhr die Straße entlang. Die drei Wilderer erschossen den Händler und beraubten ihn. Die Leiche versteckten sie seitwärts der Straße in einem Pflanzgarten. Nachmittags gegen 16 Uhr fand ein Ebnether Bürger den Leichnam, als er seine Frau in Oberlangenstadt abholen wollte.“

Urteil: 3 x 15 Jahre Gefängnis
Wie es in dem Zeitungsbeitrag von 1998 weiter heißt, wurden die drei Mörder „dreimal von der Polizei verhaftet und zweimal wieder freigelassen. Denn immer wieder konnten sie sich herausreden, steht in der Ortschronik zu lesen. Die Ehefrau des Breitenloher Gastwirts Schneider verriet die Tat, nachdem ihr versichert wurde, dass ihr Gatte nie mehr aus dem Zuchthaus käme. Jeder der Täter wurde zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt. Die Strafe verbüßten sie in der Plassenburg in Kulmbach. Schneider verstarb in der Haft.“ So weit der Artikel im Obermain-Tagblatt. Ihm beigefügt ist ein Foto mit der Bildunterschrift: „An der Landkreisgrenze nördlich von Ebneth steht ein verwitterter Feldstein an der Straße. Ob es der Totenstein des Mehlreisenden Kübler ist?“ Diese Fragestellung deutet darauf hin, dass die Zuordnung offenbar nicht mit letzter Sicherheit erfolgt war. Allerdings scheint die laut Roland Graf im Volksmund verwendete Bezeichnung Mehlstein die Verbindung zwischen Mordfall und besagtem Stein zu bestätigen.

Breitenloh & Kellerhaus, Gemeinde Gehülz
Dessen ungeachtet darf man die Aufzeichnungen in der Ebnether Ortschronik wohl als einigermaßen verlässliche Geschichtsquelle hinsichtlich des geschilderten Mordfalls ansehen. Aus Haßlacherberg-Sicht stellt sich die Frage, ob es sich bei dem angegebenen Breitenloh(e) tatsächlich um den gleichnamigen Gemeindeteil der damaligen Gemeinde Gehülz oder vielleicht um ein anderes Breitenloh(e) handelt. Auch könnte – wie so häufig – der Gemeindeteilname Breitenloh fälschlicherweise anstelle des Gemeindenamens Gehülz verwendet worden und nicht Breitenloh, sondern ein anderer Gehülzer Gemeindeteil der Herkunftsort gewesen sein. Lässt sich die Zuordnung zum Gehülzer Breitenloh über den erwähnten „Gastwirt Schneider“ untermauern? Dazu soll Band II/1991 der Heimatpflege-Vereins-Schriftenreihe herangezogen werden, in dem (S. 295 ff.) Willi Munzert die Geschichte des Gehülzer Wirtshauswesens darstellt. Munzert schreibt: „Ab 1838 nachweisbar ist die Bierwirtschaft ‚Heibisch-Veit’ der Eheleute Veit und Katharina Schneider in Breitenloh, Hausnummer 28. Als Bierkeller diente ein Stollen am südlich gegenüberliegenden Berghang“, also jenseits des Paulusgrabens. Am Stolleneingang wurde 1867 ein „neues Kellerhaus mit Tanzsaal“ errichtet (was man als Ursprung des Gehülzer Gemeindeteils Kellerhaus ansehen darf).

Hausnummer: aus 28 wird 73
Einen Satz im Buchbeitrag von Willi Munzert, der sich an die Erwähnung des Jahres 1867 anschließt, kann man wohl mit dem oben beschriebenen Mordfall in Verbindung bringen: „In der Folgezeit verlor Katharina Schneider durch außergewöhnliche Umstände ihren Mann und einen Teil der Grundstücke.“ Wie genau Willi Munzert diese „außergewöhnlichen Umstände“ beim Verfassen des Buchbeitrags kannte, mag dahingestellt bleiben. Jedenfalls berichtet er noch, dass „der Bierausschank der Katharina Schneider in dem kleinen Häuschen Breitenloh 28“ um 1876 eingestellt wurde und dass „ein Flurstück an der Sommerleiten unterhalb der früheren Bierwirtschaft“ heute noch den Namen „Veitswiese“ trägt. Das Anwesen 28 erhielt bei der Einführung der Straßennamen und neuen Hausnummern durch die Stadt Kronach 1981 die Nummer 73 der Straße Beitenloh.

Veröffentlicht im Oktober 2010 / Text: Bernd Graf / Foto: Heinrich Ramming