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Weihnachtskrippe: Oggs und Ijesl sin ümme debei

Warum fehlen Ochse und Esel (im Bild links diejenigen aus der Heunischenburg-Heimatkrippe) in so gut wie keiner Krippenszene, obwohl sie doch im Weihnachtsevangelium nach Lukas gar nicht vorkommen? Bei der Antwort darauf wird auf den Propheten Jesaja – mitunter in Verbindung mit dem apokryphen Kindheitsevangelium des Pseudo-Matthäus – verwiesen. Bei Jesaja 1, 3 heißt es: „Ein Ochse kennt seinen Besitzer und ein Esel die Krippe seines Herrn; aber mein Volk versteht’s nicht.“ In der Weihnachtskrippe versinnbildlicht der Ochse die Juden, der Esel die Heiden; alle sind sie berufen, Volk Gottes zu sein.

Ochse und Esel als Lehrmeister
Die Menschen, die von ihrem Gott abgewichen sind, nennt Martin Luther „dümmer als ein Ochse und Esel“. Die Fortsetzung des betreffenden Luther-Zitats, das Bernd Graf für das heimatkundliche Landkreis-Jahrbuch 21/1997 ins örtliche Fränkisch übertragen hat, lautet: „Denn wos koa dou füe a Weisheid übrichbleib, wenn me sein Herrgodd nije kennd? Deswejche solled me unnen Hud rou du voo dennena Oggsn und Ijesl als wi voo unnera Lehmasde.“
Der Esel als Tier der Demut ist gleichzeitig Metapher für Jesus Christus, der sich als Gott klein macht, uns als Krippenkind begegnet und bereitwillig unsere Sündenlast trägt. Der zwar starke und kräftige, aber auch friedliche und ruhige Ochse verweist als alttestamentliches Opfertier auf Jesu Tod am Kreuz.

„A jejde Oggs kennd sein Besidse…“
Der Rolle von Ochse und Esel als Krippenfiguren widmete Bernd Graf ein Mundartgedicht, das er beim Gehülzer „Mundart-Advent an der Heimatkrippe“ 1995 und 1996 vortrug. Über die 1995er Auftaktveranstaltung dieser Reihe stand im Kronacher Wochenblatt: „Wohl erstmals wurde bei einer Veranstaltung dieser Art die mundartliche Vielfalt des Landkreises Kronach mit all ihren Ausprägungsschwerpunkten dargestellt.“ Der „Mundart-Advent“ setze Maßstäbe, hieß es in der Überschrift.
Das anschließende Foto von Frank Förtsch zeigt die Mitwirkenden beim „Mundart-Advent“ 1995 an der im Vorjahr erstmals aufgebauten und offiziell vorgestellten fränkischen Heimatkrippe (sitzend von links): Roland Graf, Dörfles; Bernd Graf, Gehülz (in Gehülzer „Bergmusikanten-Tracht“); Rosa Sachs, Schwärzdorf; Stephan Neubauer, Teuschnitz; Johanna Wilde, Wallenfels; Jutta Laczó, Kleintettau; Frieder Apel, Ludwigsstadt; rechts stehen die „Kroniche Maala“.

„Eselskerwa“ im Dobersgrund mit „Eselspredigt“
Doch kommen wir wieder auf Ochse und Esel, zumindest auf den Esel, zurück. Diese biblisch begründete Krippenfigur stand auch im Mittelpunkt der „Eselskerwa“ im Dobersgrund, die der Heimatpflege-Verein im Zusammenhang mit dem Brauchtumsprojekt „Gehülzer Heimatkrippe“ zweimal (1994 und 1996) sehr erfolgreich bei der Druckerei Engelhardt veranstaltete.
Der akademische Bildhauer Heinrich Schreiber, dessen Atelier – nebst Eseldame „Dobi“ – sich nahe dem „Festplatz“ befand, schuf anlässlich der „Eselskerwa“ den ganz unten zu sehenden Holzschnitt mit der mittleren Dobersgrundkapelle sowie das „Steinerne Eselsohr“, das fortan bei Heimatpflege-Vereinsveranstaltungen an der Heunischenburg-Heimatkrippe in der Gehülzer St.-Michael-Kirche aufgestellt wurde (vgl. Zwischenfoto oben).

Der Esel als „Lieblingstier Gottes“
In der „Eselspredigt“ 1994 verriet die für die Haßlacherberg-Stadtteile zuständige evangelische Sprengelpfarrerin Sabine Heider (Kronach), warum Ochse und Esel an der Krippe des Jesuskindes stehen. Die Pfarrerin schlüpfte in die Rolle des Esels und lud dazu ein, sich der Krippe des Herrn zuzuwenden.
Die „Eselspredigt“ 1996 hielt der katholische Geistliche von Ebeleben, Otto Thonhofer, der sich auch als Artisten-, Schausteller- und Zirkuspfarrer sowie als Vorsitzender des „Eselstammtisches Ostdeutschland“ vorstellte. Er machte mit der im vierten Buch Mose enthaltenen Geschichte von der hellsichtigen Eselin des Propheten Bileam bekannt und konnte aus eigener Erfahrung bestätigen, dass es sich bei den Eseln (die er „Lieblingstiere Gottes“ nannte) um intelligente Lebewesen handelt.
                                                                     Dieser Beitrag wurde Anfang 2010 im Rückblick verfasst von Bernd Graf.